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4.8.2020 11:24:44

Aus: junge Welt vom 04.08.2020, Seite 8 / Ansichten

Endlich begriffen

Lompscher-Rücktritt in Berlin
Von Nico Popp

Vor dem Abflug: Katrin Lompscher bei einer Besichtigung des Towers auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof (23.8.2017)

Freunde hatte Katrin Lompscher in der Berliner Bürgerpresse nie. Als sie im Dezember 2016 ihr Amt als Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen angetreten hatte, räumte eine lehrbuchmäßig durchgezogene Kampagne sofort ihren Staatssekretär ab, den linken Stadtsoziologen Andrej Holm. Lompscher hielt danach die Füße still. Vergeblich: Schon 2018 trommelte der Tagesspiegel für die Entlassung der »Bauverhinderungssenatorin«.

Wer die Berliner Verhältnisse kennt, wusste, dass das wenig mit Lompschers Politik zu tun hatte: »Bausenatoren«, wie sie sich bis 1999 nannten, stellte traditionell entweder die CDU oder die SPD, die in der Hauptstadt seit Menschengedenken ausgesprochen herzliche Beziehungen zur Bau- und Immobilienwirtschaft unterhält. Lompscher war für diese Leute durch Parteizugehörigkeit und Jargon unwiderruflich disqualifiziert.

Nun glückte ein Anschlag der B. Z. Die Zeitung hatte sich in der vergangenen Woche bemüht, dem Ertrag einer AfD-Anfrage Öffentlichkeit zu verschaffen. Bevor sie mit der Meldung nachlegen konnte, dass Lompscher die regelwidrig einbehaltenen Einkünfte aus ihren Aufsichtsratsmandaten nicht versteuert hatte, trat die Linke-Politikerin am Sonntag abend zurück. Der Immobilienverband frohlockte: Man erwarte nun ein Ende der »bisherigen Bauverhinderungspolitik« und eine Korrektur der »ideologischen Fehler der vergangenen drei Jahre«.

Das ist, einmal wörtlich genommen, selbstverständlich Unsinn. Lompscher hat kein Bauvorhaben aktiv verhindert, und es ist nicht einmal unwahrscheinlich, dass die 2016 festgelegte Zielgröße von 30.000 Wohnungsneubauten bis 2021 mit knapper Not erreicht wird. Dass – und zwar nach offiziellen Zahlen des Senats – 20.000 neue Wohnungen pro Jahr benötigt werden, sich die Kräne weiterhin vor allem für Neubauten im »oberen Preissegment« drehen, während der Bestand an Sozialwohnungen ungebremst abschmiert (von rund 153.000 2015 auf nur noch 95.000 2019), ist die tatsächliche Sachbilanz. Die zu skandalisieren, wird der Immobilienlobby freilich so wenig einfallen wie den Freunden »linker« Regierungspolitik.

Auch Lompschers »Mietendeckel«-Gesetz hat an der Wurzel nichts mit »Ideologie« zu tun. Die Senatorin hat vor der Verabschiedung des Gesetzes im Januar bewiesen, dass sie mitdenkt: Sie verzichtete darauf, die Mietpreisregelungen und Mietsenkungen von Amts wegen durchzusetzen. Der »Mietendeckel« war nie etwas anderes als die staatliche Reaktion auf eine Massenbewegung, die sich gegen die explodierenden Mieten in Berlin richtete und darauf zielte, einen Großteil der Bestände profitorientierter Wohnungskonzerne zu enteignen. Das hauptsächliche, politische Resultat des »Mietendeckels« ist, dass dieser Bewegung der Wind aus den Segeln genommen wurde. So funktioniert klassische sozialdemokratische Reformpolitik. Dass die Bourgeoisie für derartige Dienstleistungen keine Dankbarkeit zeigt, dürfte Lompscher nun endlich begriffen haben.

 

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